Werkstatt in Prag - Workshop in Prague
Familie / Family Die Kunst / The art Prag /  Prague Schloß /Castle Krasov Verweise / Links

Die Prager Werkstatt

Neben den Arbeitsorten in Mailand und Spanien (El Escorial) spielt Prag mit seinen Werkstätten die wichtigste Rolle der Steinschneiderfamilie Miseroni.

1587 empfing Kaiser Rudolf II.  den Grafen Claudio Trivulzio  aus Mailand auf seiner Prager Burg.  Graf Claudio Trivulzio überreichte dem Kaiser ein Geschenk: Ein Rubin in der Größe des kleinen Fingernagels, auf dem der Reichsadler eingraviert war.  Auf seiner Brust befand sich ein Bildnis von Kaiser Rudolf II., der am Hals den spanischen Kragen trug. Wunder über Wunder ; ein Werk eines scharfen Auges und einer hervorragenden künstlerischen Hand. Die Absicht, die der Schenker mit diesem Werk verfolgte, blieb nicht ohne Folgen. Der Kaiser lud 1588 den Künstler Ottavio Miseroni und seine Brüder nach Prag. [2-65],[4-291]

Kaiser Rudolph II. war in Europa bekant für seine Liebe zur Kunst. Er sammelte alles, schuf die bedeutenste Kunstsammlung seiner Zeit.  In seiner Schatzkammer auf der Prager Burg (dem Hradschin),  lagerten unglaublich viele Edel- und Halbedelsteine,  die dieser Zeit auch heilende Strahlenwirkung nachgesagt wurde.  Es fanden sich auch Rhinozeroshörner, Muscheln, Krokodilhäute, verschiedene Vogeleier, Schildkrötenpanzer und weitere exotische Schätze darunter.  Eine Waffenkammer mit umfangreichen Bestand,  eine Geo- und Astronomische Sammlung und schliesslich eine umfangreiche Bibliothek rundeten die kaiserliche Sammlung ab. Mit Stolz führte er seine Gäste aus benachbarten Ländern durch seine Sammlung .  (Mehr zum Thema hier)  

Kaiser Rudolph II. / Emporer Rudolf II.

Kaiser Rudolph II versuchte die bedeutensten Künstler Europas an seinen Hof zu ziehen, sollten sie mit weiteren Stücken seine Sammlung weiter bereichern.  Auch Ottavio Miseroni genoß die Gunst des Kaisers, nach damaligen Quellenberichten sei  er gar besonders vom Kaiser geliebt für seine Arbeiten. Am 2. September 1608 adelte der Kaiser den Steinschneider Ottavio Miseroni und seine Brüder Alessandro, Johann, Aurelio  und Ambrogio Miseroni mit einem lateinisach gefassten Adelsbrief  [Adelsbrief im Österreichischen Nationalarchiv]   . Damit stand die Familie Miseroni im erblichen Adelsstand und wurden in den Adel der Erbländer Rudolfs II. aufgenommen.  [2-68]  Kaiser Rudolf II.  wurde 1611 von seinem Bruder Matthias  gefangen genommen, und verstarb bereits 1612.

Wappen der Miseroni von Lisone 1608 / Family coat of arms 1608

Das Wappen der Familie Miseroni wurde bestätigt, und ein Helm mit goldener Krone gekrönt. Es besitzt als Helmzier einen ausgebreiteten, nach vorn schauenden  Adler, dessen Schnabel offen mit roter aufgeschlagener Zunge sichtbar ist.  [2-69] Das Familiensiegel besteht aus einem Oval im Muster des Wappens.  Ottavio war nun auch Schatzmeister der Prager Burg und wachte über die Sammlungen.

Stammbaumtafel “Ottavio Miseroni”

Ottavio Miseroni

*1567 +1624

Lauro die Castello

oo 1590

[2], [3]

Doinysia Miseroni

*ca. 1590 +?

Oktavia Miseroni

*< 1600  + ? 

Aurelio / Aurelius Miseroni

*1600  +1631

Jeronym / Hieronymo/ Hieronymus Miseroni

*ca. 1600  +1654

Vaclav Divis/ Dionysio Miseroni 

*ca. 1607 , +1661

Frantisek Miseroni 

*1607  +1657

Lukrecie Polyxena Miseroni

*1607  +<1610

Karel Jan Ambroz Miseroni

*1611  +1657

 

Ludmilla Miseroni

* 1620  +1650

Von den ersten Miseroni am Prager Hofe hatte Alessandro zwei Töchter, während Ottavio fünf Söhne hatte, die die böhmische Linie der Miseroni begründeten,  sowie vier Töchter.  [2-69]. Einer  der Söhne Ottavios war Dionysio Miseroni.  Vermutlich 1607 geboren, er trat erst am 28. Juni 1607 mit der Taufe in den Archivakten des St. Veit-Domes auf [8-109].  Er  erlernte von seinem Vater die Steinschneidehandwerkkunst, half in dessen Werkatt mit.  Bereits 1623 übertrug  Kaiser Ferdinand II. die Steinschneiderbesoldung vom Vater Ottavio auf den Sohn Dionysio.

Sein Bruder, Hieronymus Miseroni (auch geschrieben: Hieronymo oder Jeronym) wurde als Hofkriegskonzipist und später als Hofkriegssekretär besoldet.  Auch  Bruder Frantisek Miseroni (auch geschrieben: Franz) hat ein königliches Amt als Obersteuerschreiber im Königreich Böhmen erreicht.  Karel Jan Ambroz (auch geschrieben: Karl Johann Ambros)  Miseroni arbeitete ab 1645 als “Wein- und Biertazcassier”, also als Einnehmer der Getränkesteuer in Böhmen. [8-110].

Ottavio Miseroni  starb am 6. Juli 1624. Sein Sohn Dionysio übernahm die Werkstatt. nach den Aufzeichnungen wie Rechnungen und Aufträge ist zu erkennen, dass der Betrieb nicht sofort wieder aufgenommen wurde. Mit der Zahlung eines Gnadenrecompens des Kaisers, sowie mit privaten Mitteln der Familie Miseroni  konnten die Erben 1624 das Haus   “Zur Weißen Rose” in der Prager Brückengase erwerben.  Ottavios Frau, Laura Ferrante de Castello, war die Tochter des  seit 1590 in Prag ansässigen Hofbarettmachers und Schmucksachen-Erzeugers aus Mailand. Er kaufte das Nachbarhaus der “Weißen Rose”. [8-110] Neben den beiden erwähnten Häusern in Prag besaß Dionysio noch zwei Höfe und eine “Chaluppe” in der königlichen Herrschaft Brandeis.

--> rechts: Eines der Miseroni-Häuser in Prager Kleinstadt (Nerudova / Wassergasse 8) / One of house of the family Miseroni, Prague - Nerudova 8

Dionysio Miseroni war zweimal verheiratet.  Seine erste Frau war Judith,  die Tochter des wohlhabenden Grundbesitzers und Kaufmannes Georg Mayer von Burgrieden. Seine zweite Frau Katharina Pi¥ (= Pitsch), dessen Vater  war ein Kriegsmann, der 1602 zu “Peter Pitsch von Lilienfeld” geadelt wurde.  Ihre Schwester Anna war in erster Ehe mit dem Lichtkämmerer Kaiser Rudolfs II. verheiratet.  Ihr zweiter Mann war Johann Karl König von Königsfeld, der Nachfolger Ottavio Miseronis als Schatzmeister in der Prager Burg, dem Dionysio ab 1630 als Adjunkt beiseite stand.  [8-111]

 Die familären Verknüpfungen  zeigt die Bedeutung der Familie Miseroni sowie das Umfeld, in dem sie sich bewegten.  Nach dem Tod des “König von Königsfeld” im jahr 1634 wurde Dionysio Miseroni in das Amt des Schatzmeisters gehoben.  Die Witwe des verstorbenen vorherigen Schatzmeisters heiratete in Dritte Ehe den böhmischen Kammerrat Abraham Günzel von Günzelsfeld.  Die Witwe verstarb 1648 ohne Testament, die Söhne Dionysio Miseroni hatten hier Anspruch auf ihren Grundbesitz. Die ganze Gesellschaft, wie sie hier beschrieben ist, wurde gleichsam von Kaiser Rudolf II.  in den Adelsstand gehoben und waren daher absolut gleichrangig. Man achtete streng darauf unter sich zu bleiben. [8-111]

Marie Major von Grossenau

Stammbaumtafel “Dionysio Miseroni”

[2], [3]

Vaclav Divis/ Dionysio Miseroni von Lisone

*ca. 1607 , +1661

Judith Mayer von Burgried

1. oo 1628

Marie Major von Grossenau

2. oo 1646

Johann Oktavius Miseroni von Lisone

*1630, + 1690

Johann Karl Miseroni von Lisone

*1631, + ?

Anna Miseroni von Lisone

* 1633, + ?

Ferdinand Eusebius Miseroni von Lisone

* 1639, + 1684

Barbara Miseroni von Lisone

*1642, + < 1653

I

I

 

Wenzel Eusebius Miseroni von Lisone

* 1644, + 1661

Ignaz Franz Miseroni von Lisone

* 1647, + 1717

Maria Laura Miseroni von Lisone

* 1648, +1667 (?)

Christopha Miseroni von Lisone

* 1649, + vor 1653

Anna Marie Miseroni von Lisone

*1650, + 1673

Johann Oktavian Miseroni

Dionysio Miseroni  hatte mit der ersten Ehefrau Judith drei Söhne: Johann Oktavius Miseroni (auch geschrieben: Oktavian) , der zunächst eine Anna Polyxena geborene Dobschitzky (auch DobŠicka) heiratete und die Beamtenlaufbahn als Kammerdiener einschlug, später als Sektretär bei der böhmischen Revisions- und Liquidationskommission.  Johann Oktavius hatte drei weitere Ehen mit jeweils adleligen Frauen (Elisabeth Vorikovska von Kunratic, Therese Michnova von Vacinov und Marie Hubkova von Cernosic) und 7 Kinder.  1707 wird dessen ältester Sohn,  Vaclav  Dionysio Miseroni als Besitzer des Cestiner Landes erwähnt, als er einen Teil seiner Wälder verkaufte, um dort ein Glasbläserdorf entstehen zu lassen.  Vaclav Dionysio Miseroni kaufte 1716 ein Haus in der Ortschaft Teresov, (bei Zbiroh) und baute sich dort bis 1723 eine barocke Burg.  [11-344]1737 wird die Familie Miseroni dort noch erwähnt.    Zu den Besitztümern der Familie Miseroni gehörte auch die Burg Tèchobuz (1722).      [11]

 Ferdinand Eusebius Miseroni arbeitete bei seinem Vater Dionysio in der Werkstatt.   Dionysios zweite Ehe mit Maria Major von Grossenau brachte die Söhne Wenzel Eusebius und Ignaz Franz Miseroni zur Welt.

Ferdinand Eusebius Miseroni

Nachdem Dionysio Miseroni  Schatzmeister für die Schatzkammer in und unter der Prager Burg wurde,  erreichten ihn zahlreiche neue Aufgaben. 1637 hatte Kaiser Ferdinand III.  den Thron bestiegen, und er überliess dem Steinscheider Miseroni wenige Monate später als kaiserliche Gnadenrekompens den Tiergarten und die Mühle in Bubentsch am Rande von Prag. Ferner wünschte der Kaiser einen entsprechenden Umbau seiner Räume in der Prager Burg. Da die Umbauten nicht in seiner gewünschten Eile und sorgfalt durchgeführt wurden, beauftrage er Dionysio Miseroni als Bauaufsichter  für den Umbau auf der Burg.  Dafür erhielt Dionysio ab 1642 auch zusätzlich eine Kammerdienerbesoldung.  1643 war der Schloßumbau unter Leitung von Dionysio Miseroni beendet. 1644 erhielt Dionysio den Auftrag, die Kapelle auf der Prager Burg zu errichten.  Einen Tabernakel für den Altar  in der Schloßkapelle liess Dionysio in seiner Werkstatt aus edlen Steinen anfertigen, die Zahlungen erstrecken sich bs in das Jahr 1653 hinein.  Im April 1650 erfolgte ein weiterer Auftrag zur Errichtung der Mariensäule auf dem Altstädter Ring. [8-114]

Neben der Leitung der Bautätigkeiten (er baute so auch die Spitalsbrücke über die Moldau um) oblag Dionysio als Schatzmeister die Pflege und Restaurierung der Kunstkammerstücke auf der Prager Burg. 

Er betrieb auch seine Steinschneide- und Schleifwerkstätten in der alten Kaisermühle Bubenec sowie auf dem Prager Hradschin  (Kammerschleiferei).  Er handelte mit Edelsteinen und investierte in Grundstücke der Stadt.

Bild der Miseroni-Werkstatt in der Prager Burg (Kammerschleiferei), 1653 / Portrait of the Miseroni-Workshop at the castle of Prague in the time 1653

Im Dezember 1638 erhielt er über den k.k. Schatzmeister aus Wien, Grafen von Khillenberg einen Brief  vom Kaiser  überreicht, der seit dem Prager Fenstersturz 1618  in Wien regierte und die Staatsgeschäfte von dort regelte.  Kaiser  Ferdinand II. wies an,  die unglaublich reiche und umfangreiche Schatzsammlung der Prager Burg in Etappen und getrennten Transporten verschiedener Wege nach Wien umzulagern. Hintergrund waren die absehbaren unruhigen Zeiten bedingt des 30-jährigen Krieges in Europa.  Prag schien nicht sicher genug und zu dicht an den Ereignissen. Die böhmischen Krönungskleinode seien in Wien sicherer in der Verwahrung der dortigen Schatzkammer. Die Erinnerung an den vorhergehenden Einfall der Sachsen und die daraus entstandene Belagerung der Stadt Prag drängten zu dieser Entscheidung.  Unter größter Geheimhaltung wurde sogleich die böhmische Krone, den Reichsapfel und das Zepter per Boten direkt an den Kaiser  nach Wien gesendet. [2-72] Diese Entscheidung erwies sich nach nur 10 Jahren als richtig, auch wenn längst nicht die gesamte Kunstsammlung nach Wien überführt werden konnte.

<-- Links: Böhmische Krönungskleinodien (Krone, Zepter und Reichsapfel)/ The Bohemia Crown Zepter and realm apple

Im Jahr 1648 spitzte sich die Bedrohung durch die schwedischen Truppen zu. Gutta Veidl beschreibt in ihrem Roman “Die Prager Bruck” recht authentisch die Situation des Schatzmeisters Miseroni im Jahr 1648.  Sie beschreibt in einzigartiger Weise das Leben auf dem Haradschin mit der Kunstkammer, beschreibt die Werkstatt der Miseroni in der Kaisermühle und die studentische Bewegung in der Stadt.  Die Schweden hatten Prag belagert aber nicht eingenommen, als der Westfälische Frieden in Münster am 24.10.1648 beschlossen wurde. 

Die Prager Karlsbrücke und der Prager Haradschin / The “Karls-Bridge” and Prague castle

Die Prager Bürger verteidigten die Stadt und konnten sich lange gegenüber den Schweden behaupten.  Die Nachricht vom Friedenvertrag erreichte auch die schwedischen Truppen unter Führung des Generals von Königsmark.  Karl Gustav, Pfalzgraf am Rhein und Herzog zu Zweibrücken hatte den Beschluß gefaßt, sich mit den Truppen der beiden Generäle Königsmark und Wittenberg zu verbinden und Prag anzugreifen.  Die noch immer gut gefüllte Schatzkammer im Prager Haradschin galt es einzunehmen, schließlich würden die Generäle damit bei ihrer Wiederkehr am heimischen Hofe unsaglichen Ruhm ereilen. [6-118]

Die Schweden eroben recht schnell diie Prager Burg, die Einnahme der Altstadt gelingt ihn ob der Gegenwehr der Bürger nicht so leicht. Sie zieht sich über Wochen hin.  Die Schatzkammer  in der Prager Burg war ausgeräumt als die Schweden diese erreichten, dennoch war man sich sicher, dass der Schatzmeister Miseroni die edlen Güter in den weitläufigen Gängen, Schächten und Höhlen unter dem Prager Haradschin versteckt hat. Um ihm das Geheimnis zu entlocken,  bedrängten die Kriegsherren den Schatzmeister Miseroni. Gutta Veidl beschreibt die Erstürmung des Prager Haradschin in ihrem Roman [6] sehr detailliert. Dionysio wird in der Prager Burg festgehalten und drohte mit Folter, wenn er nicht Auskunft über die Schätze machen würde. Gutta Veidl schreibt hierzu:

An den Nordflügel der Burg schließt sich das Goldmachergässchen. Winzige Häuschen drängen sich hier dicht an die mächtige Schlossmauer und bilden eine schmale Sackgasse, die an ihrem östlichen Ende das langgestreckte Gebäude des Burggrafenamtes abschließt. Es ist geschmückt mit den Wappen der Martinitz, Waldstein und Sternberg und enthält Kanzleien, Gefängnisse und im ersten Stockwerk den Gerichtssaal. Oberhalb der Dächer des Goldmachergsschens führt, an der hochragenden Schlossummauerung entlang, ein niedriger, verdeckter Gang, der den Burgflügel mit dem Burggrafenamt und  jenseits desselben sich fortsetzend  dieses wiederum mit dem Rundturm, dem Daliborturm, verbindet, der hier dicht über dem Hirschgraben in die Burgmauer eingefügt ist.  Wären den Steinen dieses Verbindungsganges Zungen gegeben, sie müssten Qual und Tod über Land schreien. Hier führte man die Verurteilten hindurch zu Folter und Hinrichtung. Im Hofe des Burggrafenamtes, unterhalb der berüchtigten Bluttreppe, war die Richtstätte. Im nahen schwarzen Turm und im Rundturm befanden sich die Folterkammern.

Dionysio Miseroni war in das tiefer gelegene Gelaß des Rundturms gesperrt worden, das sich unter der Folterkammer befand.  Er lehnte blaß und um Jahre gealtert an der meterdicken Steinmauer, die sich nischenförmig gegen das verrostete, schwere Eisengitter hin verengte, durch das man in den Hirschgraben hinabsehen konnte. Die einströmende Luft verfing sich in seinem Haar, das die verflossene Nacht schlohweiß gebleicht hatte. Die modrige Feuchtigkeit der Mauern ließ ihn frösteln. Sie schlossen sich fast erdrückend um ihn. Nicht zu durchmessen, und nur in der Diagonale der beiden tiefen, gegenüberliegenden Fensternischen war er um ein geringeres länger.  Miseroni begann, mit müden und doch ruhelosen Schritten hin und her zu gehen. Jetzt presste er das Gesicht an das Eisengitter in der Maueröffnung, die gegen den Fluß und die Altstadt zu Ausblick bot. Obgleich bereits in der Nacht nach dem vergeblichen Ansturm der Schweden auf den Brückenturm jede Verbindung zwischen der Kleinseite und der Altstadt unterbrochen wurde, hatte sich die Nachricht von den Ereignissen im diesseitigen Stadtteil rasch verbreitet und war auch zu Miseroni gedrungen, gleichzeitig mit der Erwähnung des heldmütigen Läufers, der durch seinen Todesmut die beiden Städte, die Alt- und Neustadt, vor unmittelbarer Gefahr gerettet hatte. Da ihm die Schweden Tod und Verderben an den Hals wünschten, war verstündlich. Aber Rita (Miseroni`s Tochter) hatte, aufatmend, mit blassen Lippen ein Dankgebet gesprochen bei der Nachricht, dass ihr Geliebter lebend ans Ziel gelangt war.  Brandgeruch wehte von der Kleinseite zu Miseroni herüber. Fernes Getöse und Schreie brachte der Wind getragen. Und nun begannen dicht neben ihm auf der Bastei die Geschütze zu spielen, die man mit der Mündung gegen die Altstadt gekehrt hatte. Der tapfere Mann preßte plötzlich die Hand ans Herz. Ein Dunkel schob sich vor seine Augen. Er dachte an sein armes, unbeschütztes Kind daheim. Hatte er recht daran getan, Schlüssel und Inventar zu verweigern, totes Schatzgut zu hüten und die lebendige Kostbarkeit, sein Kind, in so notvoller Zeit zu verlassen? Und doch... und doch! Ihm war es kein totes Schatzgut, seine lebendigste Liebe umfing die anvertrauten Schätze, die von ihm und seinen Vorfahren jahrzehntelang treulich gehütet und gepflegt worden waren, und Pflichtvergessenheit und Eidbruch wärs sie preiszugeben! [...]

Der Hauptmann war ärgerlich und ungehalten über den Widerstand und unerwünschten Aufschub. So klang auch die Frage, die er jetzt an Miseroni richtete, zornig und ungeduldig: Gebt Ihr Euren wahnwitzigen Widerstand endlich auf? Seid Ihr bereit, Euch zu fügen? Ich frage zum letzten Mal!  Miseroni schüttelte schweigend den Kopf.  Ihr wisst, was Eure Weigerung bedeutet?  Miseroni schwieg.  Wütend fuhr die Faust des Hauptmanns auf den Tisch.  Habt Ihr meinen Rat befolgt, Hauptmann Larsen? fragte jetzt, höhnisch lauernd, Leuxenring.  Der Hauptmann gab, nicht ohne Zögern und mit sichtlichem Widerwillen, ein Zeichen. Eine Seitentür öffnete sich und in ihrem Rahmen erschien, von einem Fähnrich gestützt, der gestern für Oberst La Gardie in Miseronis Hause Quartier gemacht hatte und der jetzt nicht ohne Zartheit die Wankende aufrecht zu halten suchte Rita.  Mit einem Aufschluchzen sank sie dem Vater in die Arme, der sie fassungslos umschlang, ihren Kopf an seiner Brust zu bergen suchte.  Leuxenring weidete sich einen Augenblick. Dann sagte er, jedes Wort betonend:  Nun Hauptmann Larsen, meint Ihr nicht auch, rascher zum Ziel zu kommen, wenn Ihr der Tochter an Stelle des Vaters die Daumenschrauben ansetzet?  Ein Schrei des Entsetzens entrang sich Miseroni. Der junge Kornett fuhr, seiner selbst nicht bewusst, mit der Hand an den Degenknauf. Rita sank wie ein verwehtes Blütenblatt zu Boden.  Teufel! Teufel! keuchte Miseroni und wollte auf Leuxenring zustürzen. Die Wächter hielten ihn fest.  Da löste sich oben auf der Holzgalerie über dem Richtertisch aus dem Dunkel eine Gestalt und rasselte wie ein Sturmwind die Holztreppe herunter in den Saal. Es war Königsmark, der ungesehen den Vorgängen beigewohnt hatte. Er warf mit seinem Stulpenhandschuh zugleich einen Bund Schlüssel und einen Folioband auf den Tisch.  Führen wir Krieg gegen Männer oder gegen Weiber und Kinder? herrschte er den Hauptmann an, dem Unmut und Verlegenheit das Blut in die Stirn trieb.  Die Verhandlung ist überflüssig geworden: Hier sind Schlüssel und Verzeichnis. Er wies nach den Gegenständen, die er auf den Tisch geworfen hatte.  Sie wurden eben von Eurem Treuen Diener, - ich glaube, Dlouhy heißt der Kerl, - gegen einen Feldhandschuh voll Dukaten ausgeliefert, Herr von Leuxenring.  Ein Blick eisiger Verachtung streifte dabei den Anwesenden, der um seine Rache betrogen, Haß und Zorn in sich hineinfraß.  Dann wandte der General sich zu Rita zu, die vom Vater unterstützt, bemüht war, sich aufzurichten. Sein Blick umfasste die zarte Lieblichkeit ihrer Erscheinung, und er sagte fast gütig:  Erholt Euch, Fräulein! Oberst La Gardie wird für Eure und Eures Vaters Sicherheit sorgen. Haus und Besitz bleibt Euch unangetastet, Signor Miseroni.

Aus: Gutta Veidl. Die Prager Bruck, Kapitel “Schicksalsstunden”

In den Gängen und Tunneln unter dem Prager Haradschin versteckte Dionysio die noch immer stattliche Kunstsammlung des Kaisers, geschützt durch eine Felssteinmauer im Tunnellabyrinth unter der Burg sowie schwere Türen, die die Räume dahinter nicht erahnen liessen.  Die Schewden und ihre Verbündeten räumten die Prager Burg nicht gänzlich aus,  Legenden berichten von 1500 Kutschen, die notwendig waren, die Beute in die neuen Königshäuser zu bringen. Einiges konnte Dionysio jedoch auch einges an anderer Stelle in den Burgverließen verstecken, was heute in den Prager Museen und Galerien zu betrachten ist.

Und dann ratterten die Beutewagen in großer Hast und in unabsehbarer Kette unter Miseronis Fenstern vorbei und dem Strahower Tor zu. Unübersehbar und unermesslich war die Beute. Ein wahrhaft königlicher Raubzug, wie die Geschichte deren nur wenige kennt, war hier den Schweden in zwölfter Stunde noch geglückt.

Aus: Gutta Veidl. Die Prager Bruck, Kapitel “Schicksalsstunden”

Viele Schätze aus der Prager Kunstsammlung gingen auf der Reise quer durch Europa verloren, wurden  für andere Schätze eingetauscht,  zerbrachen oder fielen durch weitere Überfällen anderen in den Besitz. Nur ein kleiner Teil der Beute erreichte 1649 auch wirklich das schwedische Königshaus.  Hier sind einige Schätze auch an andere Königshäuser abgegeben oder eingetauscht worden. Auch dies ist ein Grund,  wieso die Beutestücke heute auch in ganz Europa verteilt sind, und auch in Privatbesitzen  oder bisher nicht öffentlich bekannte Werke auftauchen können.   --> Zur Vertiefung des Themas siehe Beitrag von ELIŠKÁ FUCIKOVÁ “Das Schicksal der Sammlungen Rudolfs II. vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges” auf der externen Webseite des Landschaftsverband Westfalen-Lippe

Die größte zusammenhängende Sammlung der einstigen Prager Kunstschätze befindet sich durch die Evakuierung eines Teils der Sammlung auf Befehl des Kaisers von 1638 heute im Kunsthistorischen Museum (KHM Wien) .

Nach dem Abzug der Schweden war die Prager Burg praktisch ausgeleert und Dionysio konnte sich nur mit Bestürtzung an die Vernichtung seiner langjährigen Pflege erinnern. Auf grund seiner unermeßlichen Energie und seines Arbeitseifers zerbrach er jedoch nicht. Schon im Jahr 1650 bearbeitte er den einmaligen Fund aus den Alpen: einen gewaltigen Bergkristall. Er schuf daraus eine 115 cm hohe Glaspyramide, die heute in Wien (KHM) zu sehen ist.

Dionysio erbaute auch als Bauverwalter der Burg den neuen zwischen dem zweiten und dritten Flügel liegenden Flügel, erneuerte in Bubenec auch seine Schleiferei in Kaisermühl, errichtete die schon angeführte Mariensäule und befaßte sich mit der zunehmenden Schifffahrt auf der Moldau und Elbe. Er beendete auch sein Kunstwerk: den Tabernakel aus Edelsteinen in der von ihm errichteten Burgkapelle. Das Familienwappen der Miseroni wurde 1653 durch den Kaiser nochmals bestätigt, der Familie das Prädikat “von Lisone” verliehen (Lissone = Vorort der ursprunglichen Heimat der Miseroni in Mailand). [2-73] Fortan durfte die Familie das erbliche Prädikat tragen. [2-73]

Dionysio arbeitete weiter in seiner Werkstatt, und lerne über die Jahre seinen Sohn Eusebius an. Erste Stücke schufen sie noch gemeinsam, oder Dionysio arbeitete sie nach. Dionysio starb 1661 in der Prager Altstadt und wurde auch dort beerdigt. Die Familiengruft ist heute leider nicht mehr erhalten.  [2-73]

Ferdinand Eusebius Miseroni führte das mt als Schatzmeister sowie die Werkstatt weiter, jedoch erreichte er nicht die Qualität seines Vaters, konnte aber seine Werke noch verkaufen. Er verarbeitete jedoch keine hochwertigen Edelsteine sondern nutzte überwiegend den Bergkristall und Rauchglas.  Herausragende Einzelwerke, die seinen Vater berühmt machten, kann er nicht vorweisen, dennoch erhielt er noch die Gunst des Kaisers.  Ferdinand Eusebius soll mit Hingabe Besucher und Kunstfreunde durch die kaiserliche Kunstkammer geführt haben, die sich auch langsam wieder mit neuen Schätzen füllte.

Am 24.11.1674 wurden die beiden Brüder und Söhne Joan Oktavio Miseroni von Lisone (Joan=Jan) und Ferdinand Eusebius Miseroni von Lisone in den böhmischen Ritterstand erhoben. Sie, und ihre Nachkommen dürfen sich fortan “Edler Ritter Miseroni, Herr von Lisone” nennen.

Nach dem Tode des Vaters Dionysio verschlechterte sich die abgeleistete Handwerkskunst aus dem Hause der Miseron.  Ferdinand Eusebio geriet in Zahlungsschwierigkeiten.  Er starb 1684. Damit endete auch die Geschichte der Steinschneidewerkstatt der Miseroni. Die Familie lebte noch viele Jahre weiter in Prag, noch heute finden sich verwandte Familienteile in Tschechien, Österreich und Deutschland, die von dieser Linie abstammen (so auch der Verfasser). Deutlich wird jedoch die enge Verbundenheit der Familie Miseroni mit der Stadt Prag, dem Einfluß der Familie auf die Entwicklung der damaligen Zeit.

Seit einiger Zeit gibt es die Überlegung, die Kaisermühle Bubenec wieder in der Zeit der Schleifwerkstatt Miseroni zu rekosntruieren. Ebenso wären Gedenktafeln zur Erinnerung an die Miseroni an den damaligen Wohnorten wünschenswert, dieses Kapitel der goldenen Stadt Prag nicht zu vergessen.


Quellenangaben: [Listennummer-Seitenzahl]

[2] Franti šek und Miroslav Skrivánek “Die Familie Miseroni und die Entwicklung ihres Wappens”, in Adler, Zeitschrift für Genealogie und Heraldik, Heft 3 Juli/September 1983

[3] Stammbaumunterlagen aus dem privaten Familienarchiv des Autors

[5] Adelsurkunde aus dem Jahr 1608, Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allg. Verwaltungsarchiv, Reichsadelsakten

[6] Gutta Veidl, “Die Prager Bruck” historischer Roman um 1910 geschrieben, 1943 veröffentlicht im Andree Verlag, Prag

[8] Rudolf Distelberger, “Dionysio und Ferdinand Eusebio Miseroni”, erschienen im Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien, Band 75, 1979

[9] O.J. Blazicek, “Škréta´s Family Portait of Dionysio Miseroni”, erschienen in Spring Books London, 1964

[11] Hrady, zámky a tvrze v Cechách, na Moravé a ve Slezsku,  Band 4,  Prag, 1985, Übersetzung von Markus Jurziczek von Lisone, vielen Dank an Michaela Lelék aus Norwegen

 
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